Im zweiten Teil unserer Serie zum Thema “Teambuilding” erfährst Du was eine Geburt mit einer Teamwork Roadmap zu tun hat und warum es keine Zeitverschwendung ist, darüber zu reden, wie was getan werden muss. Unser Autor Daniel beleuchtet die Begriffe Roadmap-Genauigkeit und Roadmap-Gleichheit und gibt am Ende praktische Tipps für eine erfolgreiche Teamwork-Roadmap.
Das Licht der Welt erblicken
Bevor ich mit dem Thema dieses Blog-Beitrags beginne – Teamwork-Roadmaps: Lasst mich an einem Beispiel deutlich machen, worum es geht.
Neulich hatte ich mit einer schwangeren Kollegin gesprochen und wir sind auf das Thema „gepackte Tasche“ gekommen. Sie erzählte mir, dass sie noch ihre Tasche packen muss, damit sie, wenn das Kind dann kommt, nur noch damit zum Kreissaal los muss.
Was passiert hier? Ein Paar bereitet sich auf das größte „Projekt“ (oder eines der größten Projekte) seines Lebens vor: Ein Kind darf das Licht der Welt erblicken!
Und damit dieses Projekt von Anfang an gut beginnen kann, bereitet man sich vor. Es wird ein Plan erstellt, wie vorgegangen werden kann. Alle Fragen sind bereits geklärt: Wohin geht es zur Entbindung? Was muss ich mitnehmen? Wie soll alles ablaufen? Kurzum: Das Paar hat eine Roadmap erstellt.
Was ist das – eine Teamwork-Roadmap?
Beispiele wie das oben beschriebene gibt es viele: Man denke an die Fußballmannschaft-Aufstellung, an Code-Wörter in Institutionen, für den Fall, dass kritische Situationen auftreten, oder schlicht den Putzplan im eigenen zuhause 😊.
Wenn ein Team eine Teamwork-Roadmap hat, dann weiß jeder im Team: Was wann von wem wie getan werden muss.
Das bedeutet, dass man sich über die eigene Rolle und die der anderen ausgetauscht hat. Man hat über Verantwortlichkeiten und Anforderungen von Job-Positionen gesprochen. Und wichtig hierbei ist: Ich kenne nicht nur meine eigene, sondern eben auch die der anderen! Wenn ich nämlich nur meine eigenen kenne, dann kann ich nicht die Arbeit von meiner Kollegin im Bereich X oder meinem Kollegen im Bereich Y übernehmen. Aber gerade, weil das „backing up behaviour“ – also das sich gegenseitig unterstützen und für den anderen Arbeit machen, wenn er gerade am Rande seiner Kapazitäten ist – so wichtig ist für den Teamerfolg, braucht es Klarheit im Rahmen einer Teamwork-Roadmap.
Wie kann diese Klarheit praktisch für Teams aussehen? Zum Beispiel kann ein Team mithilfe eines RMC (Role Model Canvas) die Verantwortlichkeiten von Job-Positionen auf einem digitalen oder analogen Whiteboard visualisieren und somit Klarheit schaffen. Alternativ könnte man auf einer Mindmap die oben genannten Themenkomplexe erarbeiten.
Die Zwillinge: Roadmap-Genauigkeit und Roadmap-Gleichheit
Kirkman und Stovernik, die Autoren des Buchs „Unbreakable“ (2023), unterscheiden oadmap-Genauigkeit und Roadmap-Gleichheit.
Roadmap-Genauigkeit entsteht, wenn im Team möglichst detailliert und genau klar ist, was wie getan werden muss. Roadmap-Gleichheit gibt es bei einem Team, wenn die einzelnen Teammitglieder das gleiche Verständnis davon haben, was getan werden muss. Das klingt zwar ziemlich gleich, ist aber doch unterschiedlich. Man nehme hier einfach das Beispiel der Kaffeemaschine. Wenn jeder im Team zustimmt, dass die Kaffeemaschine einmal pro Woche gereinigt werden muss, dann hat man vielleicht eine Roadmap-Gleichheit. Spätestens nach ein bis zwei Monaten wird es jedoch manchen im Team zu bunt werden, wenn einige nur über das äußere Gehäuse wischen und somit in 10 Sekunden fertig sind, während andere dann noch mehr Aufwand haben, um das Innere ordentlich sauber zu bekommen. Hier muss noch darüber geredet werden, wie genau die Aufgabe umgesetzt werden soll.
Ein anderer Fall könnte sein, dass zwar genauestens beschrieben ist, wie eine Aufgabe gemacht werden muss, dafür aber nicht jeder im Team weiß, dass es diese Aufgabe überhaupt gibt und dass sie ihn betrifft.
Wenn jedoch Roadmap-Genauigkeit und Roadmap-Gleichheit stimmen, dann beeinflusst das die Team-Performance zum Positiven. Zum Beispiel sind dadurch Kommunikation, Koordination und Kooperation verbessert.
Wenn Roadmap-Genauigkeit und Roadmap-Gleichheit nicht stimmen, dann passieren mehr Fehler, so dass es besonders im Gesundheitssektor bei kritischen Fällen um Leben und Tod gehen kann.
Ist das nicht Zeitverschwendung, so viel darüber zu reden, wie was getan werden muss?
Wenn du dir diese Frage schon gestellt hast oder sie dir schon gestellt wurde: Willkommen im Team!
Als agiler Coach höre ich immer mal wieder: Schon wieder eine Retrospektive? Und ja, diese Frage hat ihre Berechtigung. Nicht umsonst beschreibt Anderson (2011) in seinem Kanban- ”Kanban: Evolutionäres Change Management für IT-Organisationen“ die Transaktionskosten und Koordinationskosten, welche die wertschöpfende Zeit reduzieren. Und doch: Nimmt man sich dort nicht die Zeit, muss man die Zeit meistens anderswo wieder bezahlen. Sei es bei unkritischen Themen, wie zum Beispiel, wenn zwei Entwickler-Kollegen unbewusst an der gleichen Stelle arbeiten, so dass Merge-Konflikte entstehen, diese zu lösen wieder Zeit in Anspruch nimmt. Sei es bei kritischen Themen, wenn Menschen in Krankenhäusern sterben, weil die Kommunikation gelitten hat oder Geräte nicht einwandfrei eingestellt waren. Oder sei es, dass eine Flugzeugcrew sich nicht in ruhigen Zeiten darauf verständigt hat, wie bei einer Notlandung agiert werden soll. Beispiele hat wahrscheinlich jeder im Kopf.
Hier wird eine Sache der Teamwork-Roadmaps besonders deutlich: Die Roadmap zahlt sich besonders in kritischen Situationen aus, in denen ich keine Zeit/ keine Möglichkeit habe, um über ein Vorgehen zu diskutieren. Und wenn ich vorher nur auf kurze Sicht unterwegs war, kann es mir gerade in den kritischen Situationen auf die Füße fallen. Dann erlebt man was in der Pädagogik und Psychologie schon gilt: „small but soon, large but late.“
Das kann bedeuten, dass Gewinn verloren geht. Das kann aber auch bedeuten, dass im IT-Team die Anzahl der Bugs steigen, wenn das Team sich nicht mehr die Zeit nimmt, regelmäßig miteinander zu reden. Da entstehen Wissensinseln, weil es kurzfristig angemessen sein kann, dass nur eine Person sich um ein bestimmtes Wissensfeld kümmert. Langfristig wird die Wissensinsel jedoch den Bus-Faktor (Wie viele Personen müssen vom Bus überfahren werden, dass das Projekt scheitert – also makaber für: Person X-Z kann keinerlei Wissen mehr teilen) für bestimmte Aufgaben senken, was ein hohes Ausfallrisiko bedeutet.
Ärmel hochkrempeln und los geht´s
Wie kann ich dies nun praktisch angehen? Regelmäßige Team-Meetings halten ist eine wichtige Technik, um eine Teamwork-Roadmap zu erstellen und zu pflegen (!). Dieser Punkt wurde wahrscheinlich einigen besonders deutlich in der Zeit der Corona-Kontaktbeschränkung. Als informelles Abklären vieler Punkte nicht mehr stattfand und dann entweder das Arbeitsergebnis/-erlebnis gelitten hat, oder es formelle Treffen gebraucht hat, um den Wissenstransfer weiter aufrechtzuerhalten. Der Vorteil von regelmäßigen Meetings ist der, dass sie einen festen Platz im Kalender haben und somit nicht so leicht bei Zeitdruck unter den Tisch fallen, als es informelle Absprachen tun würden.
Hier noch aufgelistet die Go-To´s für eine Teamwork-Roadmap (siehe Kirkman & Stoverink 2023):
- Regelmäßige Team-Meetings (& Retrospektiven, bei denen man gut und schlecht Gelaufenes analysiert)
- Team-Leader, welche
a) Reflexivität fördern
Reflexivität beschreibt das Reflektieren einer Gruppe, die sich überlegt, wie sie ihre Aktivitäten und Ziele der derzeitigen oder antizipierten Situation anpasst.b) Trainings einfordern, bei denen die Team-Mitglieder besonders folgendes einüben:
i. Orientierung (Gefahrenpotentiale im Vorfeld erkennen/im Nachhinein auswerten)
ii. Übersetzung/Kartierung oder besser: Wenn-Dann-Szenarien (Wenn der Fall A eintritt, dann … Wenn der Fall B eintritt, dann … – Zum Beispiel: Wann kommuniziert wer mit wem wie viel über was? klären)
iii. Cross-Training (Die Team-Mitglieder können unterschiedliche Rollen einnehmen – siehe auch T-shaped employees)c) Den Team-Mitgliedern immer wieder Verantwortlichkeiten übertragen (geteilte Leiterschaft: Wechsel zwischen Anführen und Nachfolgen)
d) Wachstums-Denken haben
Leader, die ihren Team-Mitgliedern zutrauen, dass sie Neues lernen können und aus Fehlern lernen – also insgesamt eine Wachstums-Kultur pflegene) Ihre Team-Mitglieder hypothetische Szenarien durchgehen lassen, um auf mögliche Gefahren und Herausforderungen eine Antwort und Vorgehen zu haben.
Ansonsten sollte man sich noch bewusst sein, dass die Zusammensetzung des Teams einen starken Einfluss auf die Teamwork-Roadmaps haben kann. Folgende Teams haben einen Vorteil bei dem Erstellen von Teamwork-Roadmaps:
- Kleinere Teams
- Teams mit einem einheitlicheren Erfahrungsbackground der Arbeit
- Teams mit wenig Mitglieder-Wechsel
- Teams, die räumlich näher zusammen sind
- Teams, die sich von Angesicht zu Angesicht (analog) sehen können
- Teams, die nicht nur aus neuen Angestellten bestehen
Du möchtest noch mehr zum Thema erfahren? Dann empfehlen wir dir auch unseren Beitrag ”Team-Confidence”.
Daniel Küstner
Agile Coach, Projects and Coaching