Projektmanagement

Team Capacity to Improvise 

Wie Improvisation sowohl Resilienz aber auch Innovation innerhalb eines Teams fördern kann und was das Skill Set damit zu tun hat? Eine spannende Frage, die in diesem Blogbeitrag aus der Serie “Teambuilding” von unserem Autor Daniel beantwortet wird.  

Improvisation – eine Annäherung

Etymologisch betrachtet stammt das Wort “Improvisation” aus dem 18. Jahrhundert und wurde aus dem italienischen “improvvisare” entlehnt, was “aus dem Stegreif gestalten” bedeutet. Dieses italienische Wort ist wiederum von “improvviso” abgeleitet, was “unerwartet, unvorhergesehen, unvermutet” bedeutet1. Das lateinische “improvisus”, die negierte Form des Partizip Perfekts von “providere” (vorhersehen), ist die Wurzel des italienischen “improvviso”. “Providere” setzt sich zusammen aus “pro-” (für, vor) und “videre” (sehen)2. Somit bezeichnet “Improvisation” ursprünglich die Fähigkeit, etwas ohne vorherige Planung oder Vorbereitung zu schaffen12. 

So erklärt der Co-Pilot das Wort Improvisation. Und damit automatisch die Arbeitswelt von vielen Teams in Deutschland oder weltweit: 
Eine Situation oder Anforderung kommt unvorhergesehen und will gemeistert werden. Und gerade dann braucht das Team Improvisationsfähigkeit, also die Fähigkeit durch Kreativität und Innovationskraft neue Wege und Möglichkeiten zu schaffen und somit Lösungen für Probleme bereitzustellen. Improvisation kombiniert vorherige Erfahrungen, Handlungsweisen und vorhandenes Wissen zu etwas Neuem. 

Der Bahnhof

Ist es nicht jedem schon so gegangen? Man geht zum Bahnhof und kennt eigentlich schon das Gleis, auf dem der Zug fahren soll. Dann schaut man nochmal auf die Info-Tafel und stellt fest, dass der Zug heute nicht auf dem normalen Gleis abfährt, sondern auf einem anderen. 

Hier improvisiert die Bahn (bzw. der Fahrdienstleister/Zugverkehrssteuerer)! Das heißt der Fahrdienstleister kombiniert die vorhandenen Informationen, um eine neue Belegung für die Gleise im Bahnhof zu schaffen – wir hoffen jedoch mal, dass die Bahn hierfür schon einen Plan hat und nicht bei jedem Einzelfall improvisieren muss 😊. 

Was klar wird: Der Fahrdienstleister braucht das Wissen, von der Ankunft aller Züge, deren Verweildauer, deren Abfahrtszeiten und Prioritäten, ebenso wie deren Zielorte. Nur dann kann er effektiv improvisieren. Das bringt uns zum Skill Set. 

Skill Set

Das Skill Set ist eine Anzahl/Sammlung von Fähigkeiten (Skills) von einzelnen oder Teams. Und diese Ansammlung von Fähigkeiten beschreibt in einem Team, wie effektiv das Improvisieren ist. Warum?  
Lasst es mich an einem Beispiel veranschaulichen: 

Als Musiker kann man wunderbar improvisieren. Das konnten Meister der Komposition wie Bach oder Mozart sehr gut. Aber auch vor allem im Jazz spielt die Improvisation heutzutage immer noch eine sehr große Rolle. Damit aber der Musiker improvisieren kann, muss er verschiedenes wissen: Tonart, Harmonie, Rhythmus, Akkorde, Melodieführung, … 

Wenn zum Beispiel der Pianist all diese Sachen verinnerlicht hat, kann er on-the-fly auf das Spiel des Kontrabassisten eingehen. Wenn sich der Pianist z.B. mit den Akkorden nicht auskennt, dann kann er auch nicht effektiv mit einer neuen Situation umgehen. Er kann vielleicht nach Noten spielen – das geht gut, solange sich alle daranhalten. Wenn aber die Sängerin das Musikstück in einer anderen Tonart braucht, der Schlagzeuger einen anderen Rhythmus will oder der Saxophonist in einer anderen Harmoniefolge spielt, braucht es eben eine Fähigkeit in dem jeweiligen Bereich. Es braucht Skill Set. 

Kirkman & Stovernik (2023) beschreiben es im Buch “Unbreakable” so: „… team improvisation did not enhance team innovation unless team members had appropriate expertise, high-quality teamwork, a team culture of experimentation, and real-time information and communication”. 

Das bedeutet, dass Expertise zusammen mit anderen Faktoren, die ich einfach mal „Teamplay“ nenne, die Innovation erhöhen kann.  

Team Capacity to Improvise

Deutlich wird hier, dass neben dem Skill Set noch verschiedene andere personenübergreifende Dinge gefordert sind. Was auch klar ist. Ein Fahrdienstleiter, der keine EchtzeitInformationen über Züge bekommt, ist limitiert in seinen Möglichkeiten. Ein Pianist, der seine Mitspieler schlecht hört, ist limitiert in seinen Möglichkeiten. 

Wozu "Team Capacity to Improvise?"

Es gibt zwei wesentliche Aspekte, warum Teams improvisieren lernen sollten: 

Zum einen ist es die Resilienz. 
Resilienz ist der wesentliche Fokus des Buches „Unbreakable“ (Kirkman & Stovernik 2023). Hier geht es vor allem darum Schwierigkeiten zu meistern – also Schaden abzuwehren oder Leistungsfähigkeit wiederzugewinnen. 

Zum anderen ist es die Innovation – verknüpft mit Kreativität. 
Wenn ein Team innovativ und kreativ sein kann, dann entstehen neue Perspektiven für Produkte und Märkte.  

Wissen, wer was weiß

Nun ist ein Team nicht nur eine Person mit einem bestimmten Skill Set, sondern eine ganze Ansammlung von Menschen mit unterschiedlichen Skill Sets. Hier lässt sich – ähnlich wie bei der Team Confidence – wieder sagen, dass das Ganze mehr als die Summe der Teile ist. Denn entscheidend ist nicht nur, dass das richtige Skill Set im Team vorhanden ist – was man präventiv organisieren sollte. Sondern auch, dass die Team-Mitglieder wissen, wer was weiß. Das beschreiben Kirkman & Stovernik (2023) als „Transactive Memory“.  

Transactive Memory beschreibt das Wissen von Team-Mitgliedern, welche Expertisen, Erfahrungen und Fähigkeiten ihre Team-Mitglieder haben (und welche nicht). 

Nimmt man zu der Kenntnis der individuellen Fähigkeiten und Wissensstände der Kollegen noch das generelle Wissen um Abläufe und Prozesse im Team (siehe Teamwork-Roadmaps) hinzu, bekommt man die „Team Cognition“. 

 

Transactive Memory + Teamwork-Roadmap = Team Cognition 

Ärmel hochkrempeln und los geht´s

Für ein ausgewogenes Transactive Memory im Team schlagen Kirkman & Stovernik (2023) folgendes vor: 

  1. Wissensbestand im Team an die Erfordernisse anpassen. 
    Entweder dadurch, dass passendes Skill Set im Recruiting-Prozess bewusst abgefragt wird, oder dadurch, dass das bestehende Team in bestimmten Fähigkeiten weiterentwickelt oder erstmals geschult wird. 
  2. Innerhalb eines für die Erfordernisse passenden Wissensbestandes des Teams können einzelne Menschen auf bestimmte Bereiche spezialisiert sein. 
  3. Ähnlich wie bei der Teamwork-Roadmap sollten die Team-Mitglieder auch das Spezialwissen der Team-Kollegen kennen. Beides: Übereinstimmung in dem, was die Team-Kollegen können – und auch, was sie nicht können.  

Um die Kreativität zu fördern, sollten Teams explizit Zeit damit verbringen sich zu unterschiedlichen Perspektiven, Kenntnisständen und Informationen auszutauschen mit der Möglichkeit die jeweiligen Perspektiven zu verbinden. Das setzt zwei Dinge voraus: 

  1. Unterschiedliche Meinungen (und den Mut sie zu äußern – siehe nächster Blogbeitrag: Psychologische Sicherheit) 
  2. Fähigkeit die Sichtweise der anderen einzunehmen (Perspective Taking). 

Die Unterschiedlichkeit von Menschen hat natürlich den Vorteil einer breiteren Wissensbasis. Der Nachteil besteht jedoch im erhöhten Konfliktpotential. Dieses sollte zum Beispiel durch Perspective Taking bewusst reduziert werden. 

Für die psychologische Sicherheit im Team und um die Fähigkeit von Perspective Taking zu unterstützen, kann auch bewusst auf die Stärken von den Team-Mitgliedern geschaut werden. Hier kann man zum Beispiel die Methode der „relational self-affirmation“ benutzen. Dabei verfassen Team-Mitglieder über ihre Team-Kollegen Narrative / Geschichten, was diese in unterschiedlichen Kontexten Gutes geleistet haben. Der entsprechende Team-Kollege bekommt die Narrative dann und soll herausfinden, welche Stärken er dort gezeigt hat.  
In stärkenorientierten Teams sollten die Team-Mitglieder eher ihre Meinung sagen. Dies führt zu einer breiteren Wissensbasis für Entscheidungen. Dieses stärkenfokussierte Vorgehen kann auch helfen ein Wir-Gefühl im Team zu kultivieren, was ein wichtiger Faktor für Team-Improvisationsfähigkeit darstellt. Dieses Wir-Gefühl sollte auch durch Team-Awards gepflegt werden. Also bewusstes Lob oder bewusste Belohnung für das ganze Team, wenn die Leistung gestimmt hat. Damit soll bei den Team-Mitglieder ein größeres Wir-Gefühl entstehen und es soll das Risiko reduzieren, dass Team-Mitglieder ihren „eigenen Agendas“ folgen. 

Außerdem sollte die Art und Weise, wie über Möglichkeiten diskutiert und nachgedacht wird, optimiert werden / sein. Das wird zum Beispiel mithilfe von design thinking-Methoden zum besseren Brainstorming realisiert. 

So schlagen Kirkman & Stovernik (2023) die IDEO-Regeln für Brainstorming vor: 

  1. Jede Idee ist willkommen 
  2. Mut zu verrückten Ideen 
  3. Spinne die Ideen der anderen weiter – plussing (yes … and) 
  4. Fokussiert auf das Thema 
  5. Nur eine Person spricht 
  6. Veranschauliche deine Idee (visuell, …) 
  7. Viel hilft viel – erreiche große Quantität der Ideen 

 

Das Praktische an Improvisationsfähigkeit von Teams ist, dass sie durch Training deutlich verbessert werden kann.  

Allerdings sollte man sich auch bewusst sein, dass Performanz und Innovation durch Improvisation auch limitiert ist. So sollen zum Beispiel Teams mit einem hohem Team-Vertrauen bei einem Problem auch sehr gute oder bessere Ergebnisse erzielt haben, wenn sie an ihrem ursprünglichen Vorgehen festhielten. Bei Teams mit geringem Team-Vertrauen soll ein neuer Kurs mehr Performanz bringen. 
Wichtig ist, dass man hier bedenkt: eine Phase mal durchzustehen ist auch eine valide Option. 

Du möchtest noch mehr zum Thema “Teambuilding” erfahren? Dann empfehlen wir dir auch unsere Beiträge “Team-Confidence” und “Teamwork-Roadmaps”.  

Daniel Küstner 
Agile Coach, Projects and Coaching

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