Warum psychologische Sicherheit ein entscheidender Faktor im Teambuilding ist, wie sie zu mehr Mitarbeiterbindung führt, warum sie die Performance steigern kann und uns alle auch im Alltag angeht, erfahrt ihr von unserem Autor Daniel im vierten und letzten Beitrag zur Serie “Teambuilding”.
„Reden ist Silber – Schweigen ist Gold?“
Häufig findet man in Teams genau das:
Reden ist Silber – Schweigen ist Gold. Und zwar als Mentalität: Wenn ich mich hier exponiere, dann habe ich nachher einen Nachteil davon. Wenn ich hier sage, dass ich anderer Meinung bin, dann verliere ich meine entspannte Zugehörigkeit zur Gruppe. Wenn ich der Meinung der Leitung widerspreche, muss ich mit Gegenwind bei … (Gehalt, Positionen, Einflussmöglichkeiten, etc.) rechnen.
Tja – ist nun Reden Silber und Schweigen Gold?
Während meines Studiums haben sich manche Sätze besonders eingeprägt. Einer davon ist der bekannte:
„Es kommt darauf an!“
Ja – Es kommt darauf an: Was will ich als Team erreichen? Will ich als Leitung möglichst konformistisches Verhalten oder will ich als Leitung möglichst viele Ideen mit unterschiedlichem Erfahrungs- und Expertenwissen? Will ich als Team-Mitglied möglichst große Sicherheit und/oder Bequemlichkeit – oder will ich durch eine andere Perspektive den Projekterfolg voranbringen?
In dem vergangenen Blogbeitrag zur Fähigkeit des Teams zu improvisieren wurde schon in einzelnen Punkten deutlich, dass Unterschiedlichkeit in der Meinung durchaus wichtig ist.
Unterschiedliche Meinungen werden aber in einem Team nicht zur Diskussion stehen, wenn niemand seine Meinung mitteilt. Und genau dafür, dass Team-Mitglieder ihre Meinung tatsächlich äußern, braucht es psychologische Sicherheit.
Psychologische Sicherheit – eine Definition
Psychologische Sicherheit ist dann in einem Team vorhanden, wenn die Team-Mitglieder sich komfortabel genug fühlen, dass sie „unkomfortabel“ werden können. Das bedeutet, dass sie sich zwischenmenschliche Risiken eingehen trauen. Die zwischenmenschlichen Risiken können Dinge wie oben beschrieben sein: Positionen-Verlust, Ausgrenzung, Spott, oder auch beliebig mildere oder auch stärkere Varianten.
Ein alltägliches Beispiel könnte sein, dass sich ein Passant nicht mehr traut zu helfen, wenn eine andere Person belästigt wird. Man könnte ja selbst in Gefahr geraten. Natürlich – manchmal ist es auch wichtig, dass man nicht noch zusätzlich in einen Konflikt hineingeht. Und doch macht das Beispiel so deutlich, dass für jedes Verhalten ein Preis gezahlt wird. Wenn ein Mensch so aggressiv auf eine normale Formulierung reagiert, dass er zum Beispiel ein Taschentuch verloren hat, dann speichert man sich das im Gehirn ab. Und die Wahrscheinlichkeit, dass man etwas sagt, sinkt mit jeder Situation, in der man aggressiv angegangen wurde.
In Teams sieht das hoffentlich nicht so aggressiv aus. Und doch kann die subtilere Variante auch sehr großen Schaden anrichten. Wenn ein Team-Mitglied beim Äußern einer Idee in einer Brainstorming-Runde ausgelacht wird, nicht ausreden kann, einfach übergangen wird, etc. Wer würde davon ausgehen, dass dieses Team-Mitglied auf Dauer noch Engagement für den Team-Erfolg zeigen würde?
Und das bringt uns zu dem Wozu:
Wozu psychologische Sicherheit?
Wenn ein Team psychologisch sicher agieren kann, dann können die einzelnen Team-Mitglieder näher und besser zusammenarbeiten. So ist der Zusammenhalt in Teams mit psychologischer Sicherheit höher.
Wie geht das?
Das weiß eigentlich jeder Mensch. Je besser ich meinen Mitmenschen kenne, desto enger, näher, vertrauter kann die Beziehung sein. Gleichzeitig kann ein enger, naher und vertrauter Mensch mich umso mehr enttäuschen und verletzen. Das bedeutet, dass ich bei psychologischer Sicherheit bereit bin, den Preis für Nähe zu bezahlen: Verletzlichkeit. Oder anders formuliert:
Je geringer ich das Risiko für eine Verletzung einstufe, desto näher lasse ich andere Menschen heran. Und je näher ich andere Menschen heranlassen kann/will, desto größer wird der Zusammenhalt sein.
Auch wenn die Kausalität hier zweimal unterschiedlich gedeutet werden kann, muss dennoch auch die Person, die ein möglichst geringes Risiko auf Verletzung eingeht, ein Risiko eingehen. Wenn einem als Team psychologische Sicherheit aber wichtig ist, dann wird man bewusst daran arbeiten, dass durch einen guten Umgang miteinander das Risiko auf eine Verletzung (oder milder Enttäuschung) minimiert ist und Personen mit wenig Risikotoleranz in dem Bezug ermutigt werden, dennoch ihren Beitrag zu äußern.
Wenn psychologische Sicherheit in einem Team nicht vorhanden ist, dann ist mein Fokus in einem Team-Meeting überwiegend auf meiner „eigenen Agenda“ – Wir-Gefühl ist dann eher Fehlanzeige.
Dabei hat psychologische Sicherheit positive Auswirkungen, die in einem Team durchaus wünschenswert sind. Bei Menschen, die positive Emotionen haben, ist laut der “broaden-and-build-Theorie“ von Fredrickson das Spektrum an Denkweisen und Handlungsoptionen erweitert, was dazu führt, dass diese Menschen physisch, mental und sozial mehr Ressourcen aufbauen können, was wiederum zu mehr Möglichkeiten führt. Wenn also in einem Team mit psychologischer Sicherheit die Team-Mitglieder sich nicht ängstlich fragen müssen, ob sie eine Aussage tätigen können, sondern mit Freude und Interesse oder auch Spaß an der Arbeit tätig sind, dann bauen sich zum Beispiel sowohl innerhalb vom Team als auch außerhalb mehr zwischenmenschliche Ressourcen auf (beispielsweise bessere Kundenbeziehungen). Sie tauschen sich vermutlich auch besser aus, was zu einer besseren fachlichen und technischen Umsetzung des Entwicklungsproduktes führen kann.
Neben besseren Beziehungen hat psychologische Sicherheit auch einen bedeutenden Vorteil beim strategischen Agieren. Durch das, dass die Team-Mitglieder eher ihre Meinungen und Expertisen beitragen, kann viel früher deutlicher werden, in welcher Situation man sich als Team gerade befindet. Also ob zum Beispiel die Produktentwicklung noch auf dem richtigen Weg ist oder ob Zeiten eingehalten werden können oder, oder, ….
Wer sollte sich besonders um psychologische Sicherheit kümmern?
- Wissensarbeiter – also Teams, bei denen die Team-Mitglieder ihr bisheriges Wissen bei einem Problem oder einer Fragestellung nutzen, um eine neue Lösung zu generieren. Das betrifft viele Bereiche wie die IT, Technik, Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften oder auch der ganze kreative Bereich.
- Alle – denn auch für alle anderen Arbeitsbereiche ist psychologische Sicherheit in Teams eine Möglichkeit die Team Performanz zu erhöhen. Warum?
Psychologische Sicherheit reduziert:
- Probleme, die durch geographische verteilte Team-Mitglieder entstehen (heute normal)
- Probleme, die durch vermehrte Nutzung von virtueller Kommunikation entstehen (heute normal)
- Probleme, die durch Fluktuation im Team entstehen
- Probleme, die durch Interkulturalität entstehen können
Ärmel hochkrempeln und los geht´s
Kirkman & Stovernik (2023) nehmen in ihrem Buch „Unbreakable“ Bezug auf verschiedene Versuche die psychologische Sicherheit (oder Komponenten, welche dieser zuträglich sind) zu stärken. Beispiele sind:
- Die Farbkodierung in Teamdiskussionen von Dharmendra Modha zu nutzen (weiß-Fakten, schwarz-Wahrnehmen/Urteilsvermögen, rot-Emotionen, grün-Neue Ideen, gelb-Optimismus). Damit soll eine klarere Unterscheidung zwischen Fakten, Gefühlen und Haltungen geschaffen werden.
- Wie schon oben formuliert: Stärken stärken (z.B. GallUp Strenghfinder oder ähnliches)
- Die Haltung von Moderatoren und Leitern, dass jede Meinung willkommen und wichtig ist. Was zum Beispiel Ian Seigel als „Version 1.0s“ bezeichnet.
- Eine Retrospektive halten. So simpel es klingt – Reden darüber, was gut läuft, was gut gelaufen ist und was nicht gut läuft / gelaufen ist, hilft fast immer präventiv und häufig auch kurativ eine bessere Teamkultur und damit mehr psychologische Sicherheit zu etablieren. Dennoch kann die psychologische Sicherheit bei einer reinen Retrospektive mit der Perspektive auf die Arbeit oder den Produkten manchmal untergehen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man sich neben der Reflektion der Arbeitsvorgehensweise auch auf die Metaperspektive konzentriert: Wie arbeiten wir zusammen? Können wir uns vertrauen? Können wir ehrlich miteinander diskutieren? Braucht es Regeln für Diskussionen, dass alle Meinungen gesagt werden können? Nach welchen Regeln wird in dem Team überhaupt diskutiert und Entscheidungen getroffen?
Neben diesen praktischen Möglichkeiten, ist sicherlich der erste Schritt, dass man über das Konzept „psychologische Sicherheit“ Bescheid weiß und damit die eigene Wahrnehmung hierfür steigt.
Du möchtest noch mehr rund um das Thema “Teambuilding” erfahren? Dann empfehlen wir Dir unsere Beiträge “Team-Confidence”, “Teamwork-Roadmaps” und “Team-Capacity to Improvise”.
Daniel Küstner
Agile Coach, Projects and Coaching
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