Absolute Barrierefreiheit bleibt ein Ideal, das nicht komplett erreicht werden kann. Die möglichen Beeinträchtigungen der Nutzer sind schlichtweg zu vielfältig und die Konsequenzen daraus machen eine Umsetzung teilweise zu kompliziert oder gar unmöglich, da Widersprüche in sich auftreten können.

Allerdings lassen sich mit nicht allzu großem Aufwand bereits Best Practices umsetzen, die einem großen Teil der Menschen mit Behinderungen eine Nutzung ermöglichen. 

Barrierefreiheit im Web – vier Prinzipien

Seit 2016 haben Menschen mit Behinderung ein Recht auf Barrierefreiheit, sodass sie öffentlich angebotene Waren, Dienstleistungen und Informationen uneingeschränkt nutzen können. Wird ihnen dies nicht ermöglicht, haben sie das Recht, die barrierefreie Nutzung dieser Dienste einzuklagen.

In den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind die Richtlinien zur Barrierefreiheit bezüglich Online-Angeboten festgehalten. Die Richtlinien setzen sich aus vier Ebenen zusammen:

Prinzip 1: Wahrnehmbar

Informationen und Bestandteile der Benutzerschnittstelle müssen den Nutzern so präsentiert werden, dass sie diese wahrnehmen können.

Prinzip 2: Bedienbar

Informationen und Bedienung der Benutzerschnittstelle müssen verständlich sein.

Prinzip 3: Verständlich

Informationen und Bedienung der Benutzerschnittstelle müssen verständlich sein.

Prinzip 4: Robust

Inhalte müssen robust genug sein, damit sie zuverlässig von einer großen Anzahl an Benutzern einschließlich assistierender Techniken interpretiert werden können.

Barrierefreie Webseiten erfolgreich umsetzen

Bei der Umsetzung der Richtlinien kommt es darauf an, verschiedene Arten von Behinderungen zu berücksichtigen. Hierfür muss die Webseite – am besten von Beginn an – auf Zugänglichkeit (Accessibility) und Gebrauchstauglichkeit (Usability) ausgerichtet werden. Dann erhalten etwa blinde Personen durch Screenreader oder elektronische Braillezeilen bzw. Brailledrucker Hilfe bei der Bedienung einer Webseite. Sehbehinderte User werden zum Beispiel durch Vergrößerungssoftware oder durch farbliche Anpassungen mittels einer Spezialsoftware unterstützt. Auch eine individuelle Farb-Kontrast-Anpassung in den Systemeinstellungen ist möglich. Bereits beim Design der Webseite sollte auf einen für sehbehinderte User günstigen Kontrast geachtet werden. Alle Seiteninhalte müssen außerdem sichtbar sein, wenn keine Farben genutzt werden.

Auch die Bedienführung muss barrierefrei sein. Das bedeutet in erster Linie eine übersichtliche, logische und durchgängige Anordnung der Oberfläche. Die Nutzung muss auch ohne Maus, also komplett mittels der Tastatur, möglich sein, da blinde User keine Maus verwenden.

Qualitätsmanagement – Testen auf Barrierefreiheit

Barrierefreiheit beginnt bereits beim Design, noch vor der Programmierung und Entwicklung. In einer frühen Phase des Projekts lohnt sich schließlich schon das umfangreiche Testen. Je früher Fehler aufgedeckt werden können, desto geringer sind Aufwand und Kosten für deren Beseitigung. Im weiteren Verlauf des Projekts bieten sich dann Akzeptanztests an, die blinde und sehbehinderte User direkt in das Testing mit einbeziehen. Hierdurch entstehen häufig neue Perspektiven, die Menschen ohne Behinderung meist gar nicht in den Sinn kommen. Ein Beispiel etwa ist die Angabe von Bankverbindungen oder anderen Zahlenfolgen: Die Zahlen sollten hierbei nicht als eine Zahl, sondern Ziffer für Ziffer einzeln vorgelesen werden, damit der Nutzer überhaupt die Chance hat, sich die Zahlenfolge einzuprägen oder zu notieren.

Checkliste Barrierefreiheit: Wie gelingt die Umsetzung?

Um sicherzustellen, dass die wichtigsten Punkte für Barrierefreiheit umgesetzt wurden, haben wir eine Checkliste zusammengestellt.

  1. Beschreibung von Nicht-Text-Inhalten: Sind alle wichtigen Inhalte mittels Text hinreichend beschrieben? Nicht-Text-Inhalte wie Bilder oder Icon-Buttons sollten so mit zusätzlichem Text angereichert werden, damit der nichtsehende Nutzer alle relevanten Informationen erhalten kann. ​
  2. Audio, Video und Animationen oder Grafiken: Sind Audio- oder Videoaufnahmen transkribiert? Sind Grafiken ausreichend beschrieben?
  3. Überschriften und hierarchischer Aufbau: Ist die Seite sinnvoll gegliedert und die Überschriften-Hierarchie valide? ​
  4. Seitenregionen: Besitzt die Seite sinnvolle Seitenregionen?
  5. Tastatur-Fallen: Ist es ausgeschlossen, dass irgendwelche Elemente den Tastatur-Fokus fangen oder ein Zustand erreicht wird, aus dem ein Tastatur-Nutzer nicht wieder herausnavigieren kann?
  6. Farbkontraste: Sind alle Elemente unter Verwendung des Windows-Kontrastes und mit Zoom sichtbar? Ist die Kontraststärke aller Elemente groß genug?
  7. Bezeichner: Sind alle Bezeichner auf der Seite eindeutig und sprechend?
  8. Fließtext: Ist der Fließtext verständlich? Kann er ohne weitere Seiteninhalte verstanden werden?
  9. Alt-Texte Inhalt: Werden Nicht-Text-Inhalte durch Alt-Texte hinreichend aussagekräftig beschrieben?
  10. Abkürzungen und Fachbegriffe: Werden alle Abkürzungen und Fachbegriffe erläutert?
  11. Modale Dialogfenster: Gibt es modale Dialoge? Sind diese vor Braille und Screenreader verborgen, wenn sie geschlossen sind? Sind sie erreichbar und ist alles andere vor Braille und Screenreader verborgen, wenn sie geöffnet sind? Davon abzugrenzen sind hier Popups. Ist ein Popup geöffnet, muss der Rest der Seite nicht zwingend verborgen werden. ​
  12. Trennung von Navigation und Manipulation: Man denke hier an Nutzer von Braille oder Screenreadern. Sie explorieren die Seite mittels Tastatur (Tab, Tab+Umschalt, Pfeiltasten, Schnelltasten).
  13. Zeitsensitive Inhalte​: Ist die Seite auch für langsame Nutzer bedienbar, oder verhindern z. B. überschrittene Countdowns das Weiterkommen?
  14. Listen-Ansichten: Ist die Überschriften-Hierarchie valide? Sind alle Bezeichner eindeutig und verständlich? Ansonsten kann es im Screenreader zu Einträgen mit selbem Bezeichner kommen.
  15. Tab-Navigation: Ist die Tab-Reihenfolge aller Elemente sinnvoll und nachvollziehbar? Werden alle Inhalte erreicht?
  16. Werkzeuge: Wurde die Webseite mit einem automatischen Accessibility-Checker geprüft? Eine werkzeug-orientierte Prüfung lohnt sich immer, da bei gängigen Fehlern wie fehlenden Attributen oder mangelhaften Kontrasten Warnungen erscheinen und direkt Empfehlungen ausgesprochen werden.

Haben Sie noch Fragen oder benötigen Sie Unterstützung bei der Umsetzung der Richtlinien für Barrierefreiheit für Ihre Online-Inhalte? Gerne unterstützen wir Sie dabei – kontaktieren Sie uns einfach!

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